Härtetest bei Schnee und Eis: Elektrische Trailerkühlung unter Extrembedingungen
- Fotos: BPW
- Datum: 02.04.23
Sie sind im Sommer 2022 mit einem Kühltrailer, der mit ePower ausgestattet war, nach Spanien gefahren und im Winter dann nach Schweden. Warum diese beiden Regionen?
Piepenbrink: Es sind typische Gegenden für Automobiltests, weil dort extreme Wetterbedingungen vorherrschen. In Spanien waren wir in der Sierra Nevada, wo es im Sommer sehr heiß und trocken ist. In Schweden kommen am Polarkreis neben den sehr niedrigen Temperaturen von nachts bis zu minus 20 Grad Celsius noch Schnee und Eis hinzu, die den Trailer bei der Fahrt beeinflussen. Dort wird auch eher mit Splitt statt mit Salz gestreut. Wir schauen also, wie unsere Komponenten diesen extremen Bedingungen standhalten. Das Zusammenspiel aller Einflüsse ist spannend für uns – das kann man kaum im Labor nachstellen.
Was sagen die Extreme über den Normalbetrieb aus?
Goergen: Das System muss unter allen klimatischen Bedingungen einwandfrei funktionieren. Nicht alle Spediteure fahren in gemäßigten Klimazonen. Die Hardware ist weniger empfindlich. Aber wir haben auch eine eigene intelligente Software-Steuerung entwickelt, die bei extremen Bedingungen einwandfrei laufen muss. Elektronische Komponenten sind in dieser Hinsicht in der Regel anfälliger.
Das Zusammenspiel aller Einflüsse ist spannend für uns – das kann man kaum im Labor nachstellen.
Dieser kurze Draht in die Länder war wirklich Gold wert: Dass wir quasi live dabei sein konnten, hat uns sehr geholfen.
Wie wird so ein Test geplant und umgesetzt?
Goergen: Es beginnt schon rund zwei Jahre im Voraus mit der Prüfung einzelner Komponenten und Teilsysteme wie Software, Elektrik oder Mechanik. Dann schließt sich die Untersuchung des gesamten Systems im Fahrzeug an. Durch die gute Vorarbeit sind an diesem Punkt in der Regel keine großen Überraschungen mehr zu erwarten, aber wir können noch Details schärfen.
Piepenbrink: In der Vorbereitungsphase legen wir fest, was genau vor Ort untersucht werden soll. Dann wählen wir die Sensorik aus, die notwendig ist, um die jeweiligen Komponenten zu überwachen. Wir entscheiden, welche Strecken wir fahren, wie lange und mit welcher Beladung. Und nicht zuletzt muss für das Team vor Ort alles organisiert werden: von Übernachtungsmöglichkeiten bis zu einer lokalen Nutzfahrzeug-Werkstatt die es ansteuern kann, um das Fahrzeug unterzustellen und gegebenenfalls umzubauen.
Jeweils zwei Kolleginnen und Kollegen waren mit den Fahrzeugen vor Ort, aber ihr Team ist größer.
Was machen diejenigen, die am Unternehmenssitz in Wiehl bleiben?
Goergen: Ich gehörte zu Team Wiehl. Dank der verbauten Telematik von idem telematics konnten wir die Daten, welche die Fahrzeuge gesammelt haben, hier in Echtzeit einsehen und direkt erkennen, ob sich Herausforderungen anbahnen oder das Fahrzeug einfach glatt durchläuft. Dieser kurze Draht in die Länder war wirklich Gold wert: Dass wir quasi live dabei sein konnten, hat uns sehr geholfen.
Piepenbrink: Ich war selbst mit in Schweden und kann sagen: Kleine Stolpersteine traten anfangs natürlich auf, aber wir konnten sie direkt beheben, zum Beispiel, indem wir die Software entsprechend überarbeitet haben. So konnten wir die Verbesserungen anschließend sofort wieder testen. Ich habe ein wirklich gutes Zusammenspiel mit dem Remote-Team erlebt: Wir waren immer handlungsfähig und hatten keine langen Stillstandzeiten.
Goergen: Die gute Vorbereitung hat sich ausgezahlt, genau wie die Datenanbindung.
Was macht große Kälte wie in Schweden mit batteriebetriebener Technik am Fahrzeug?
Goergen: Eine längere Standzeit bei großer Kälte fördert die Entladung. Im Test lag für uns der Fokus darauf, dass der Kunde seine Kältemaschine immer elektrisch betreiben kann. Da spielen Variablen wie die Batteriekapazität hinein, aber auch unsere Rekuperationsstrategie ist sehr wichtig: Wir müssen zum richtigen Zeitpunkt immer genau die Menge Energie liefern, die das System inklusive Kältemaschine braucht. Und es muss nicht nur die Batterie geladen werden – währenddessen muss auch die Kältemaschine versorgt werden. Da hat sich für uns gezeigt, dass die Strategien, die wir in Zusammenarbeit mit Thermo King entwickelt haben, sehr gut sind. Der Kunde kann wählen, welche Leistung er abhängig vom Energiebedarf, der Kältemaschine und dem Ladezustand der Batterie braucht.
In Schweden musste die Kältemaschine sogar im Heizbetrieb gefahren werden. Weil es so kalt war draußen?
Piepenbrink: Ja, denn bei den niedrigen Temperaturen reduziert die Kältemaschine ihre Leistung. Wir wollten das System aber herausfordern und eine höhere Leistung sehen. Deshalb war es erforderlich, genau das Gegenteil zu tun: Wir haben den Kühlkoffer auf Temperaturen von -20, 0 Grad und 15 Grad gebracht, um Batterie wie auch Generator bewusst zu provozieren. So konnten wir zum Beispiel beobachten, was passiert, wenn Kabel, Generatoren und die Achse selbst mit Schnee beladen sind und nicht abtauen. Und wir wollten erkunden: Wenn wir viel Leistung abfordern und das Eis abtaut, wie läuft das ab – und könnte das Tauwasser problematisch sein? Wie warm wird der Generator dann? Wir haben die Bedingungen innerhalb der Extreme noch mal variiert: Generator kalt, Generator warm, Generator heiß. Dann konnten wir sehen, ob das jeweils Einfluss auf das gesamte System, auf die Anhänger-Achse oder auf die Generatoren hat.
Goergen: Wir spielen in den Tests Szenarien durch, die im Transportalltag passieren: Dann fahren wir beispielsweise die Hochvoltbatterie leer, stellen das Fahrzeug ab und laden es über Nacht – so wie Spediteure das eventuell auch tun würden. Oder wir machen ABS-Bremsungen. Es sollen realistische Anwendungsfälle sein.
Was sagen die Tests in Ihren Augen über ePower?
Goergen: Die Stabilität des Systems beweist aus meiner Sicht, dass es reif ist. Nach den erfolgreichen Fahrten in Spanien und Schweden testen wir das System derzeit gemeinsam mit unserem Partner Thermo King sowie der TIP Group bei Kühlspediteuren in den Niederlanden. Sie beliefern die Supermarkt-Kette Albert Heijn dank ePower emissionsfrei mit Kühlwaren. Die Serieneinführung erfolgt noch in diesem Jahr.
ePower ist ein Achsmodul, das während der Fahrt des Trailers Energie gewinnt, um daraus Kühlaggregate bei temperaturgeführten Transporten CO2-neutral und leise mit Strom zu versorgen. Zwei Generatoren sorgen dabei für doppelte Power und Ausfallsicherheit. Ein intelligentes Energiemanagement stellt sicher, dass dem Kühlsystem immer genug Batteriereserven zur Verfügung stehen – auch auf längeren Strecken oder in Staus. ePower ist die Basis für die neueste Kühlgerätegeneration von Thermo King. Durch das Gesamtsystem der beiden Partner können drohende Fahrverbote und Lieferbeschränkungen vermieden, Ressourcen geschont und die Nachhaltigkeit in der Transportkette verbessert werden.