Flottenbetreiber und Fahrzeugindustrie fordern praxisgerechte Rahmenbedingungen für Zero Emission Transformation
- Fotos: BPW
- Datum: 20.11.24
„Für uns ist der Weg hin zu null Emissionen eine stetige Reise. Wir untersuchen ständig alle Einsätze im Straßengüterverkehr, um Potenziale aufzuspüren und den CO2-Fußabdruck von Transporten weiter zu verringern“, erklärte Iffet Türken, Mitglied des Vorstandes von Kässbohrer und Gastgeberin des Expert Talks. Zu den Lösungen gehören laut Iffet Türken Transportkonzepte wie der Lang-Lkw, nutzlast- oder volumenoptimierte Anhänger und Aufbauten, Trailer für den intermodalen Einsatz und elektrifizierte Auflieger wie der Kässbohrer E-Reefer – ein Kühlauflieger mit elektrisch angetriebener Transportkälteanlage und einer Trailerachse mit Generator. Diese gewinnt Bremsenergie als elektrischen Strom zurück und liefert damit Energie für die Kälteerzeugung. In einem weiteren Fahrzeugkonzept zeigte Kässbohrer die Nutzung der rekuperierten Bremsenergie zum Antrieb einer Traktionsachse im Trailer.
Elektrifizierte Trailerachsen verringern CO2-Fußabdruck
Herzstück des AxlePower Systems von THERMO KING, das am E-Reefer zum Einsatz kommt, ist die ePower Generatorachse von BPW. „Wir sind bereit für die Elektrifizierung und finden für jeden Einsatzbereich eine geeignete Lösung“, sagte BPW Vertriebsleiter Europa Daniel Twilling-Birkholz. In einer weiteren Ausbaustufe lässt sich die elektrifizierte Trailerachse auch als Antriebsachse einsetzen, um entweder den Kraftstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß einer Diesel-angetriebenen Zugmaschine zu verringern oder die Reichweite eines E-Lkw zu erhöhen. Die Vorteile für Klima und Flottenbetreiber wären mit einer CO2-Einsparung von 16 bis 40 Prozent noch größer. Bei der Umsetzung dieser Systeme arbeitet BPW mit der ZF Group und Fahrzeugbauern wie Kässbohrer zusammen. „Mit TrailTrax (ZF´s Electrified Trailer System) bieten wir das Gesamtpaket aus einer Traktions-E-Achse und Batterie-Systembox an, so dass die Integration in den Trailer möglichst einfach gelingt“, erklärte Dr. Bernd Meurer, bei ZF für das TrailTrax-Programm verantwortlich.
Die größte Herausforderung ist die Wirtschaftlichkeit
„Die großen Herausforderungen sind die Wirtschaftlichkeit und gesetzliche Hürden“, erläuterte Daniel Twilling-Birkholz. Um einen Return-on-Invest zu ermöglichen, müssten Sattelzüge mit E-Trailern beispielsweise von günstigeren Mautgebühren und geringeren Steuern profitieren. Auch eine Anerkennung durch VECTO, das Verbrauchsberechnungswerkzeug der EU, sei eine wesentliche Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit, appellierte der BPW Vertriebsleiter Europa. Dann könnten diese Auflieger Strafzahlungen von den Fahrzeugbauern ab 2030 abwenden, sofern diese das Ziel einer CO2-Reduktion von zehn Prozent verfehlen.
Verbrauchsberechnung mit VECTO weist Unstimmigkeiten auf
Doch in der Praxis sind noch einige Fragen ungeklärt. Es ergeben sich durch die Berechnungsmethodik von VECTO sogar Widersprüche. Darauf wies Peter Bouten, Operations Manager Fleetcontrol beim Logistikdienstleister Ewals Cargo Care hin. Das Potenzial von E-Trailern sei groß. Da sie vor allem wegen der Batteriepacks jedoch schwerer als Standardausführungen sind, bekommen sie einen Malus in VECTO angerechnet, obwohl sie CO2 einsparen. Umgekehrt erzielen aerodynamische Verkleidungen Boni, sind aber wegen der zusätzlichen Bauteile nicht für den intermodalen Einsatz beispielsweise im kombinierten Verkehr geeignet. Der europäische Gesetzgeber müsse vorausschauender handeln und über das Berechnungs-Tool nicht nur ein niedriges Fahrzeugeigengewicht belohnen. Auch Marc Valette, Direktor Innovationsmanagement von der Eisenbahngesellschaft CFL multimodal und Markus Prinz, Senior Manager Standards & Trainings vom Sicherheitsdienstleister TAPA EMEA forderten vom Gesetzgeber Realismus und Praxisnähe.
Gemeinsames Gespräch am runden Tisch für praxisgerechte Lösungen
„Alle Teilnehmer des Kässbohrer Expert Talks sind sich einig, dass eine enge Zusammenarbeit aller am Straßengüterverkehr Beteiligten einschließlich des Gesetzgebers notwendig ist, um das Klima zu schützen“, resümierte Moderator Ben Kraaijenhagen. Die Diskutanten sprachen sich dafür aus, dass die Verantwortlichen der EU-Kommission mit ihnen gemeinsam praxisgerechte Lösungen diskutieren und beschlossene Regelungen verbessern. Peter Bouten ergänzte, dass die Transportbranche durch die Elektrifizierung vor enormen Investitionen stehe, die Verbindlichkeit bei der Gesetzgebung voraussetze. „Wir entwickeln eine vollständige Technologieplattform mit einer Vielzahl von Lösungen für unterschiedliche Anwendungen, dadurch sind wir in der Lage zu skalieren, sobald auch die allgemeine Zulassungsfähigkeit der E-Trailer möglich ist“, sagte Bernd Meurer und Daniel Twilling-Birkholz ergänzte: „Durch wachsende Stückzahlen werden die Preise und die Betriebskosten sinken und der Return-on-Invest früher möglich werden.“ Womit sich die Flottentransformation beschleunigen dürfte.